Manheims FiberGate

Heute war ich bei einem Mitbürger, der mich um Hilfe gebeten hatte. Die Aufgabenstellung war eigentlich ganz einfach – unter normalen Umständen: Zugriff auf die heimische Überwachungskamera von unterwegs … und es wollte nicht funktionieren. Viele sagen jetzt vielleicht: „Wieso, ich scanne einen QR-Code meiner Kamera und dann geht das!“. Klar, die Bilder sieht man dann schon – in vielen Fällen über den Cloudserver des chinesischen Herstellers. Wem egal ist, wer vielleicht auf die Terrasse oder in das eigene Wohnzimmer schauen kann, darf das gerne so nutzen. Auf Shodan findet man so viele private Kameras auf diesem Planeten, dass BigBrother-Fans dort zwischen den Staffeln abendfüllendes Programm genießen können.

Will man das nicht, bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder man richtet ein VPN auf den heimischen Router ein, oder man nutzt eine Portfreigabe, die von außen direkt auf die Kamera(s) eingerichtet wird. Dazu aber später.

Worum es mir hier eigentlich geht: Wir befinden und im achten Jahr nach Umsiedlungsbeginn und genau so lange ist das „moderne FTTH-Netz“ in Manheim in Betrieb, welches uns Jahre zuvor in der Manheim-Erklärung versprochen wurde. Nur leider haben wir Manheimer im Jahr 2020 zwar physikalisch eine Glasfaser im Keller liegen – oder zumindest die Speedpipe, in welche diese eingeblasen werden kann – aber immer noch nicht den versprochenen FTTH-Anschluss!

Die Definition von FTTH ist vereinfacht ausgedrückt: Glasfaser bis in den Router. Die Technologie und die verwendeten Glasfasern erlauben Geschwindigkeiten von deutlich über 1GBit/s in beide Richtungen, also Download und Upload. In Asien und weiten Teilen von Amerika schon längst Standard. Eigentlich wären wir hier in Manheim also recht gut aufgestellt, wenn da nicht ein (typisch deutsches) administratives Problem wäre!

Im Grunde sind es eigentlich gleich zwei Probleme: Das Firmenkonstrukt bezüglich Eigentümer-, Besitz- und Nutzungsrechten gleicht schon fast der Wirecard-Konstruktion. Und dann ist da noch ein Exklusivvertrag über 10 Jahre, der seinerzeit mit der Unitymedia geschlossen wurde. Einer reinen Kabelgesellschaft, die gar keine FTTH-Produkte anbietet, sondern im Keller erst einmal alles auf Koaxialtechnologie umsetzt – Breitbandkabeltechnologie, die in den 1980-ern ihren Anfang fand und im Laufe der Zeit für Internetübertragung erweitert wurde, aber vom Konzept her dafür eben nie vorgesehen war. Eine Erfüllung des Manheim-Vertrages war also technisch von Anfang an nicht möglich, da diese Art der Umsetzung eben kein FTTH ermöglicht.

Unitymedia wurde inzwischen von Vodafone übernommen, aber auch dort werden keine FTTH-Produkte angeboten – es wird weiterhin auf die veraltete Breitbandkabeltechnologie gesetzt, welche symmetrische Bandbreiten erst gar nicht erlaubt. Während der gemeine Konsument sich jetzt zurücklehnen mag und auf gut Kölsch sagt „D’r Driss bruche mer nit“, sei ein Blick auf diese Messung angeraten:

Das war die heute Nachmittag gemessene Geschwindigkeit des „Möchtegern-Glasfaseranschlusses“, der doch ganze 14 MBit/s im Download und knappe 5 MBit/s im Upload brachte. Werte, die vor 10 Jahren schon problemlos über eine 3km lange Telefonleitung möglich waren. Im Zeitalter von Netflix & Co reicht das nicht mal für einen 4k-Stream zum heimischen Fernseher.

Zum Vergleich eine Messung, die ich gleich im Anschluss von meinem heimischen Telekom-Anschluss mit herkömmlicher SVDSL-Technologie über 500m Kupferkabel zum gleichen Testserver durchgeführt habe:

Zurück jedoch zur Kamera: Warum dieser Zugriff nicht funktionierte, wurde dann auch klar – Vodafone verwendet einen „Dual Stack Lite“ – eine Technologie, die von Providern eingesetzt wird, die nicht genügend IPv4-Adressen für ihre Kunden besitzen. Somit erhalten Dutzende Kunden die gleiche IPv4-Adresse, Portweiterleitungen auf eigene Dienste zu Hause sind damit nicht möglich. Auch ein VPN auf den heimischen Router würde damit nur funktionieren, wenn alle Provider auf dem Weg durchgängig IPv6 unterstützen. Das sollte heutzutage eigentlich der Fall sein, aber IPv6 birgt wieder andere Risiken, da Geräte damit quasi „vollständig“ aus dem Internet erreichbar sind und mehr Angriffsvektoren bieten als eine per Firewall abgesicherte Portfreigabe.

Die Telekom hat zwar Interesse bekundet, das Glasfasernetz mitzunutzen und echte FTTH-Produkte mit guter Performance anzubieten. Das wird im Moment aber zu Lasten von uns Manheimern mit Verweis auf den „Exklusivvertrag“ erfolgreich verhindert. Wohl dem, der sich beim Bau meist auf eigene Kosten einen Telekom-Anschluss in sein Haus hat legen lassen und die Möglichkeit hat, so eine performante Anbindung mit echter IPv4-Adresse zu nutzen, die auch jederzeit die vertraglich zugesicherte Geschwindigkeit liefert.

Ich gebe die Hoffnung noch nicht auf, dass spätestens mit Ablauf des jetzigen Vertrages 2023 die Verantwortlichen für die Bürger entscheiden und unser Manheimer Glasfasernetz für „richtige“ FTTH-Provider öffnen. Spätestens bis dahin werden sich viele Manheimer leider zumindest zeitweise mit einer Anbindung begnügen müssen, die nur unwesentlich besser als im alten Dorf ist. 

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